Die Mazedonier sind nicht wie die Deutschen, dafür trinken sie zu wenig Bier. Sie sind auch nicht wie die Franzosen, denn Wein können sie immer noch nicht richtig genießen. Mazedonier brauchen etwas Stärkeres, etwas, das in der Kehle brennt und die Seele wärmt. Das richtige Getränk für sie ist Schnaps, der Rakija.
50%iger Stoff
Fünfzig Prozent muss er mindestens haben und eine verführerisch gelbliche Farbe. Außerdem gilt für diesen Brand aus Trauben: je älter desto besser. Damit könnten sie sich sogar mit den Schotten und deren Whisky messen. Denn der Rakija wird sowohl von großen Firmen wie auch von kleineren Brennereien hergestellt.
Aber nichts geht über den Selbstgebrannten, den jeder männliche Mazedonier, der auf sich hält, nach eigenem Rezept herstellt – und ihn natürlich für den Besten hält.
Wenn der Herbst kommt, dann bricht in mazedonischen Dörfern und Städten Chaos aus. Alle rennen zu Weinbauern, um Trauben zu kaufen, aus denen sie Rakija brennen können. Wahlen, Korruption, Arbeitslosigkeit, die ganze Politik spielt in dieser Zeit keine Rolle mehr. Es geht nur noch um eins: wer wie viel Kilo Trauben ergattert hat und wie viel Schnaps er daraus machen kann. Auf den Straßen und in den Kellern, Garagen und Hinterhöfen herrscht rege Betriebsamkeit: Kessel zum Schnapsbrennen werden hervor gekramt, Fässer angerollt und Nachbarn werden bekniet, noch zusätzliche alte Glasflaschen rauszurücken.
Das können auch griechische Ouzo- oder englische Whiskyflaschen sein, da hört der Patriotismus auf, Hauptsache sie sind aus Glas. Wer mit leeren Flaschen aushilft, bekommt eine volle zurück. Das ist ungeschriebenes ‚Gesetz‘.
Wenn Rakija gebrannt wird, dann kann das schon mal leicht drei Tage und Nächte ohne Unterbrechung dauern. Man darf auf gar keinem Fall einschlafen und deshalb müssen Nachbarn Gesellschaft leisten. Und so wechselt man sich gegenseitig ab. Dabei isst und trinkt man natürlich ordentlich. Denn ein richtiges Gespräch gibt es nicht ohne diese Zutaten – oder wie es auf dem Balkan heißt, ein ‚Muhabet‘ funktioniert dann nicht.
Schnaps wurde und wird überall in der Welt gebrannt, aber in Mazedonien ist es eng mit seiner kulinarischen Tradition verbunden. Im Unterschied zu ihren Landsleuten im früheren Jugoslawien haben die Mazedonier immer anstatt von Fleisch eher Paprika und Tomaten produziert. Das passt natürlich nicht wirklich zum Wein. Zur „Šopska salata“ (ähnlich dem griechischen Salat), zum hausgemachten Ajvar, dem selbsteingelegten Gemüse passt am besten der „home made“ Rakija.
Mazedonien ist eines der Länder, die versuchen, auf den globalen Weinmarkt vorzustoßen, wozu es auch reichlich Potential hat. Das sonnige Klima während des ganzen Jahres, der steinige Boden, gute Trauben und neue Technologien ermöglichen einen Wettbewerbsvorteil unter den Newcomern.
Und der Export in westliche Länder erhöht sich tatsächlich Jahr um Jahr. Dies alles führte zur Eröffnung immer neuer Weinkeller. Niemand allerdings möchte deshalb von der Herstellung des guten alten Rakija lassen.
Neuerdings verbreiten einige Euroskeptiker, angesichts der steigenden euroatlantischen Begeisterung im Land, die Angst, das private Schnapsbrennen würde mit einem EU-Beitritt verboten werden. „Wenn das wirklich passiert, kommt es zur Revolution“, sagt der Wirt Trajce. „Im Wein liegt vielleicht die Wahrheit, im Rakija aber die Macht“, fügt ein anderer im Scherz hinzu.
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