Aus dem Archiv haben wir einen Artikel der Zeitschrift The Vogue über Slow-Food in Mazedonien gezogen, den wir noch nicht übersetzt hatten. Aber wie er gleich lesen werdet: Dieser Artikel über die leckere Mazedonische Küche darf einfach nicht auf unserer Plattform fehlen.
Guten Appetit, ähm, ich meinte, Good Read:
Mazedonien ist ein Land, von dem Sie wahrscheinlich nur zufällig gehört haben – einer der Orte auf dem Balkan, die früher zu Jugoslawien gehörten. Ein Land, das gegenüber den verführerischeren Ländern an der glitzernden Küste – wie Kroatien und Montenegro – oft übersehen wird.
Es ist ein Ort, an dem der Großteil seines Lebens zwischen den vom Krieg zerrissenen Ländern (Serbien und Kosovo) steckengeblieben ist. Daher ist es wohl für westliche Besucher schwierig, das Land eine Chance zu geben. Das ist herzzerreißend, wenn man bedenkt, dass die Landschaften atemberaubend schön sind, die Menschen zu den gastfreundlichsten der Welt gehören und das Essen zu den Besten in Europa gehört.
Egal, wohin Sie gehen, jede Mahlzeit wird mit Leidenschaft und Liebe zubereitet – ob es an einem Wand-Loch in der Mitte von Skopje (damit sind mazedonische Fast Food Läden gemeint, die einen Grill meist in ein „Wandloch“ platziert haben) oder im Wohnzimmer eines Bauern in einem Dorf ist. Nicht nur das, der Fokus liegt ausschließlich auf der Qualität – das heißt, alles wird ohne die Zusätze und Konservierungsstoffe, die wir in westlichen Lebensmitteln so gewohnt sind, von Grund auf neu hergestellt.
Deshalb passt die Küche Mazedoniens so perfekt zu Slow Food, einer Organisation, die in den 80er Jahren von Carlo Petrini gegründet wurde. Die gemeinnützige Organisation wurde geschaffen, um regionale und lokale Küche auf der ganzen Welt zu erhalten und hervorzuheben.
Die Ziele sind einfach: Förderung der Nachhaltigkeit und der Landwirtschaft, Förderung lokaler Unternehmen, „Zelebrieren des Erbes“ und Aufklärung der Verbraucher über die Schäden von Pestiziden und Fast Food. Die Organisation mag relativ neu sein, aber das Konzept ist es sicherlich nicht – vor allem in einem Land wie Mazedonien.
„Wenn Sie über Slow Food sprechen, sprechen Sie über das normale Leben einer einfachen Person in Mazedonien. Es stellt nicht nur das Essen dar, sondern auch das Leben der Menschen, die hier leben, und ihre Leidenschaft für die Tradition“, sagt Tefik Tefikoski, Gründer des mazedonischen Slow Food-Ablegers und Inhaber des Hotels Tutto in Janche.
Tefik, oder Tutto, wie die meisten ihn nennen, ist in der Region Mavrovo in Mazedonien aufgewachsen, die für ihre Käse- und Gemüseproduktion bekannt ist. Zu Hause lernte er, dieselben Rezepte zu kochen, mit denen seine Mutter und Großmutter aufgewachsen waren. Gerichte wie Ajvar – ein langsam gerösteter Paprika-Dip, der acht Stunden lang gerührt und gekocht wird – waren zu Hause ein übliches Grundnahrungsmittel.
Für ihn war Slow Food nichts anderes als nur sein Leben und seine Kindheit, keine Mission. Erst als er mit 21 Jahren in Italien arbeitete, was viele junge Leute an einem Ort mit solch atemberaubender Arbeitslosigkeit tun, erkannte er, wie besonders die Küche von der Heimat war.
„20 Jahre Arbeitserfahrung in Italien waren für mich enorm. 2006 kehrte ich zu meinem Geburtsort zurück und fühlte und schätzte wirklich seine unberührte Schönheit und die besondere Küche. Glücklicherweise hat mir die Zeit im Ausland die Erfahrung verschafft, die ich brauchte, um ein Hotel zu eröffnen, alternativen Tourismus zu betreiben und eine Slow Food-Charta in meinem Dorf Janche zu gründen,“ erklärt Tutto.
Zum Glück war es für ihn leicht, die Italiener, mit denen er zusammenarbeitete, davon zu überzeugen, dass die Küche seiner Heimat etwas Besonderes war. Er kochte einfach die Gerichte, mit denen er aufgewachsen war, wie Pindjur (ein Geschmack aus Tomaten, Auberginen, Knoblauch, Salz und Pfeffer) und Kifli (Hörnchen, Gebäck) und servierte sie seinen Freunden. Als er zurückkam, brachte er viele seiner italienischen Kameraden zu Besuch mit, damit sie sehen konnten, woher das Essen kam, das sie so liebten.
Es war die Verbindung, die er mit einem Italiener einging, der ihm wirklich den Anstoß gab, eine Slow Food-Filiale in Janche zu eröffnen. Das erste Produkt, das er während der Jahrestagung nach Italien brachte, war der Schafskäse seiner Familie, der halbhart und nur leicht salzig ist. Das überaus positive Feedback, das er erhielt, trug dazu bei, seine Leidenschaft für die Förderung des Landes, seines Dorfes und der frischen Fülle der Gegend weiter auszubilden. Bald überzeugte er andere Landwirte und Nahrungsmittelproduzenten im Land, wie Naco Jovcevski – einen Imker und Honigproduzenten aus dem Dorf Dihovo -, sich der Bewegung anzuschließen.
„Es war eine leichte Entscheidung für mich. Es war mir immer wichtig, die Biodiversität unserer Honigbienen (Apis mellifera macedonica) zu präsentieren und die traditionellen Arten der Imkerei zu bewahren (in traditionellen Bienenstöcken im alten Stil, genannt Trmka). Als Teil der Bewegung können wir sowohl national als auch international Workshops, Honigverkostungen und Verkauf von Honig organisieren.“ berichtet Naco.
Jane Josifovski, Gründer von Macedonia Experience (einem auf dem Balkan ansässigen Landreiseveranstalter) und freiberuflicher Reiseleiter für Intrepid Travel, ist dankbar für die Slow Food-Bewegung, weil sie die mazedonische Küche stärker sensibilisiert, aber er möchte auch wissen, dass es sich wirklich nur um ein Label handelt. Diese Art von Lebensstil war in der Republik so lange vorherrschend.
„Dieser Stil und dieses Konzept des ökologischen Landbaus und der Produktion von Lebensmitteln war schon immer hier. Wir machen das seit Jahren, weit über die 10 Jahre hinaus, für die die Bewegung hier anerkannt wurde. Ich denke, bei Slow Food geht es mehr darum, die lokalen Auswirkungen zu betonen und das Geld hier in Mazedonien zu behalten“, erklärt Josifovski.
Um die mazedonische Küche zu verstehen, müssen Sie ihr Erbe verstehen, das fast vollständig von den Osmanen beeinflusst wurde. Während der türkischen Besatzung blieben die Mazedonier und die Türken jahrhundertelang getrennt – mit den Einheimischen in den Bergen und den Türken in den Städten. Als sich jedoch das Klima veränderte und mehr Arbeitsplätze in den städtischen Gebieten verfügbar wurden, machten sich die Bergbewohner (oder Mazedonier) auf den Weg in die Städte – was zu einer Verschiebung der kulturellen Identität und zwangsläufig der Küche führte.
„Beide Kulturen, insbesondere ihre Nahrung, fingen an, sich anzupassen und zu beeinflussen. Die überwiegend christlichen Mazedonier fingen an, die traditionellen türkischen Gerichte mit Schweinefleisch zu füllen, da die Schweinevorkommen reichlich waren. Der Einfluss mag stark türkisch sein, aber unsere Küche hat sich zu etwas Besonderem entwickelt“ fachsimpelt Josifovski.
Der Einfluss der Europäer und der Türkei beiseite, was die Tomaten so saftig macht, das Lamm so zart und die Paprikaschoten so knackig sind, liegt allein am Klima der Republik Mazedonien und an der vielfältigen Geographie.
Mazedonien ist ein hauptsächlich bergiges Land, das von verschiedenen Klimazonen beeinflusst wird, von den Tälern des Südens bis zu den Gipfeln des Südwestens oder dem Ufergebiet der Seen von Ohrid und Prespa. Dies allein ist einer der Hauptgründe, warum das Land eine so große Auswahl an Obst, Gemüse und Getreide produzieren kann. Aber das ist nur ein Teil des Puzzles. Der andere kommt daher, dass Landwirte hier selten Pestizide oder Zusatzstoffe verwenden. Tatsächlich waren ihre landwirtschaftlichen Betriebe schon immer ökologisch, was hauptsächlich auf das mangelnde Verständnis über die moderne Landwirtschaft zurückzuführen ist.
„Während die Welt immer noch intensiv nach Bio-Lebensmitteln in der Gastronomie strebt, tun dies die ländlichen Gebiete Mazedoniens und die Haushalte hier seit Jahrzehnten. Dieses „Old School“ -Konzept verleiht unseren landwirtschaftlichen Produkten den vollen Geschmack. Es macht jedes Gemüse und Obst saftiger, das Fleisch frischer und zarter. Einige unserer Gerichte sind zwar nicht hübsch, aber sie sind lecker und gesund,“ erzählt Goran Mickoski, Inhaber der Gaststätte Plevna in Kuratica, mit einem Lachen.
Für Besucher, die diese gastronomische Szene hautnah erleben möchten, ist die gastronomische Tour von Intrepid ein großartiger Ausgangspunkt. Die im Juni dieses Jahres gestartete Tour führt die Menschen in diese abgelegenen Dörfer, in die Häuser der Einheimischen und in die familiengeführten Restaurants und gibt ihnen die Möglichkeit, authentisch das Essen zu genießen, das die Gegend so besonders macht.
Josifovski, der Pionier der Partnerschaft war und das gesamte Programm entwickelte, kann bereits erkennen, welche Auswirkungen die Tour auf die Einheimischen wie Goran, Tutto und Naco hat. Nicht nur das er eine Verschiebung bei den Touristen erkennen kann, die an den Touren teilnehmen, die meisten kommen aus den „westlichen“ Ländern wie Australien, den USA, Kanada und dem Vereinigten Königreich. „Die meisten Menschen kommen ohne Erwartungen, verlassen uns dann jedoch völlig verändert.“
„Die Besessenheit mit dem schnellen Geschmack des Lebens und die Besessenheit mit der Arbeit hat in der westlichen Welt Priorität. Auf der anderen Seite ist es in unserer Welt nicht die Hauptsache. Die Menschen haben mehr Zeit für die einfachen Freuden des Lebens hier. Das ist ein großer Unterschied in unseren Kulturen und unseren Einstellungen. Die Leute arbeiten nicht die ganze Zeit, also haben sie Zeit, die Slow Food-Gerichte zuzubereiten – wie eben Ajvar,“ sagte Josifovski.
In den städtischen Gebieten von Mazedonien findet jedoch eine Verschiebung mit der Einstellung der Einheimischen statt, was für das wirtschaftlich schwierige Land ein Segen aber zugleich auch ein Fluch ist. Die Arbeitslosenquote, die zur Zeit knapp bei 25 Prozent liegt, nimmt stetig ab, da neue Unternehmen in die Republik gelangen. Mehr Arbeitsplätze bedeuten mehr Geld, was für viele Einheimische unerlässlich ist, aber es bedeutet auch, dass weniger Zeit für die Erhaltung der Traditionen und letztendlich für die Zubereitung von Speisen aufgewendet wird, die das Land so besonders gemacht haben. Josifovski, der in der Hauptstadt Skopje lebt, kann die Veränderung bereits sehen.
„In der Innenstadt können Sie beispielsweise bereits zubereitetes Essen kaufen, es ist eine neue Welle von Fast Food. Es ist praktisch Müll“, sagt er mit einem Grinsen. „Aber die Leute essen es, weil sich der Lebensstil schnell verändert.“
Zum Glück hat sich diese westliche Vorstellung von Fast Food und TV-Dinners jedoch nicht an den städtischen Gebieten herumgesprochen – und die kleinen Dörfer sind immer noch relativ unberührt, zumindest für jetzt.
„Die Liebe und Leidenschaft für die Zubereitung der Gerichte unserer Vorfahren, wie gebratenes Schweinefleisch mit mazedonischem Paprika, Makalo (Knoblauchdip) oder Spinat-Burek, werden sich wahrscheinlich nicht ändern – zumindest für eine Weile. Es wird immer jemanden zu Hause geben, der Lebensmittel produziert und die Familie beim Kochen zusammenbringt – ob Großmutter, Mutter, Frau oder Tochter.“ so Josifovski.
Quelle: The Vogue/2016 übersetzt von Makedonien.mk