Manchmal wissen wir nicht, wie wir die seltenen Dinge die wir besitzen, schätzen sollen. Oder wie wir für völlig falsche Werte eintreten können. Kaum einer der jüngeren Generationen ist über diese einzigartige mazedonische Bibliothek in Babino informiert. Dort sind die seltensten Titel im Land, und sogar der ganzen Umgebung beheimatet.
Im Dorf Babino bei Demir Hisar in Mazedonien, befindet sich möglicherweise die kleinste Bibliothek der Welt. Beziehungsweise die größte private Bibliothek in dem kleinsten Dorf – die Bibliothek „AL-BI“.
Die ersten Bücher wurden in die Bibliothek im fernen Jahr Jahr 1882 aus Bagdad, Teheran, Damaskus, Istanbul und Ankara gebracht. In persischer, alttürkischer und arabischer Sprache, also Original. Der Besitzer der Bibliothek ist Stevo Stepanoski. Sein Urgroßvater Jovan ist verantwortlich für die Anfänge dieses „kleinen“ kulturellen Erbes.
Seltene Werke in Babino
Die Bibliothek ist das Ergebnis von drei Jahrhunderten Sammlungsarbeit. Das älteste Buch der Sammlung ist ein Arabisches Wörterbuch, aus dem Jahr 1307.
Andere bekannte Bücher sind eines der frühesten Exemplare des Korans, die Liturgie des Hl. Jovan Zlatoust (in Deutschland als Johannes Chrysostomos bekannt). Die Erste Ausgabe von Beethovens Neunter Symphonie. Ein Musiklexikon von Karl Junek, das in Mazedonien berühmte „Makedonien, die Schweiz auf dem Balkan“ von Vanco Mihajlov. Fotografien aus dem Ersten Weltkrieg und der „Grüne Pass“ des berühmten mazedonischen Reisenden-Schriftsteller Ljubojevski.
Die erste Ausgabe der mazedonischen Rechtschreibung, eine Kopie der ersten Ausgabe der mazedonischen Fibel, der ersten Ausgabe der Zeitung Nova Makedonija sowie Handschriften und Dokumente zum Ilindenaufstand und Antifaschistischen Kampf, 1946 veröffentlicht, sind im AL-BI Museum ausgestellt.
Die Bibliothek beheimatet insgesamt über 20.000 Titel und hat mehr als 3.000 Leser, von denen viele Akademiker und Mitglieder aus Übersee sind.
Die sonderbare Bibliothek in Babino funktioniert wie jede andere, mit der Ausnahme, dass sie im Winter geschlossen ist und dann nur auf Abruf zur Verfügung steht. Auch die seltensten Ausgaben können nur direkt in der Bibliothek gelesen werden.
Größte oder kleinste Bibliothek?
AL-BI soll die größte Bibliothek in der kleinsten Ortschaft der Welt sein, da es heute im Dorf Babino nur noch zwei (!!!) ständige Einwohner gibt. Zwei Großmütter leben noch hier, die sich an die gelegentliche Störung durch Bibliothek-Gänger mittlerweile gewöhnt haben. Einige sagen jedoch, dass die Bibliothek die kleinste der Welt ist, weil in einem kleinen Haus über 20.000 Titel beheimatet werden, die teilweise angegilbt, angefressen und ziemlich alt sind. Viele Titel die hier liegen sind zum Teil auch nicht dokumentiert und warten auf ihre Wiederentdeckung.
„Die Bibliothek wurde 1882 von meinem Urgroßvater Jovan gegründet, der zu dieser Zeit mit Büchern in osmanischer, arabischer und persischer Sprache sowie Büchern aus der Zeit vor der Kodifizierung der türkischen Sprache bezahlt oder entlohnt wurde. Die Bibliothek verfügt über Bücher die in Bagdad, Teheran, Damaskus, Istanbul, Ankara, Sofia, Moskau, Leningrad, London, Paris, Wien, Saloniki, Philadelphia, Heidelberg, Göttingen, Belgrad, Zagreb, Dubrovnik, Amsterdam, Leipzig,… gedruckt wurden.“ sagt Stevo Stepanoski über den kulturellen Schatz in Babino.
UNESCO-Manifest für Öffentliche Bibliotheken wird angewendet
Stepanovski erklärt desweiteren stolz, dass die Bibliothek konsequent das 1994 verabschiedete UNESCO-Manifest für Öffentliche Bibliotheken anwendet. Ebenso stelle die kleine Bibliothek eine lokale Drehscheibe für die Bereitstellung von neuem Wissen und Informationen dar.
In diesem Jahr rechnet er mit einer durchschnittlichen Besucherzahl von mehr als 3.500 Buchliebhabern, was dagegen schon klar ist, wie viel Neugierde sie auch mitbringen werden, sie werden nicht alles sehen können was die Bibliothek in Babino bietet.
In einem aus Stein erbauten zweistöckigen Gebäude beherbergt AL-BI auch anderes Bibliotheksmaterial nicht nur Bücher. Sondern auch Zeitungen, Magazine und Veröffentlichungen, geografische Karten und Tonaufnahmen, Fotoalben, Negative und Dias, und, was am wichtigsten ist, das ganze Material steht nicht unter einer politischen, ideologischen oder religiösen Konnotation. Alles wurde, bzw. wird gesammelt.
„Die Bibliothek verfügt über mehr als 400 Wörterbücher, Enzyklopädien, Monografien und einen Teil der Arbeit von 70 einheimischen Autoren. Dem Format nach am kleinsten ist das französisch-russische Wörterbuch welches in Leipzig gedruckt wurde. Dies ist jedoch nicht die einzige Bibliothekseltenheit, da wir über andere Bücher von ungewissem Alter, mehr als ein Jahrhundert alte Originale, sowie die Sammlung „Testimonies Excerpted“ (Отпретани сведоштва) verfügen. Die Original-Militärbriefe aus dem Ersten Weltkrieg von 1914 bis 1918 enthält“ erklärt der Gastgeber Stevo Stepanovski.
Die AL-BI-Bibliothek als touristisches und diplomatisches Ziel verfügt über ein eigenes Siegel aus Halbedelstein, das 1973 in Peking von Petre M. Andreevski und Ivo Andric persönlich entworfen und in Auftrag gegeben wurde. Andreevski und Andric weilten in diesem Jahr bei einer großen literarischen Veranstaltung in China. Der Siegel trägt den Namen der Bibliothek „AL-BI“ und des Inhabers Stepanovski.
Babino
Babino liegt im zentralen Teil der ehemaligen Gemeinde Sopotnica. Etwa 18,5 Kilometer nordwestlich von Demir Hisar entfernt, und befindet sich zu beiden Seiten der Babinska, einem Nebenfluss des ursprünglichen Einzugsgebiets des Schwarzen Flusses, im östlichen Teil des Plakenska-Gebirges.
Das Dorf liegt 2 km von der Straße Kicevo-Demir Hisar entfernt, sowie 45 km von Bitola und 35 km von Kicevo entfernt.
Es ist ein hügeliges Dorf auf einer Höhe von 750 Metern über dem Meeresspiegel. Das Klima ist gemäßigt. Die Fläche des Dorfes beträgt 9,9 Quadratkilometer. Das Dorf liegt zwischen den drei Hügeln Pavlov Rid (911 m), Tri Sinori (1.111 m) und Kurati (1.017 m).
Im Babino-Gebiet gibt es viele Quellen. Entlang des Bazernichka-Flusses gibt es fast alle 100 Meter eine Quelle von Gorna Livadi bis hin zur Mündung des Crna Flusses. Das Wasser aus den Quellen füllt den Fluss wieder auf und wird von der Fischerei genutzt.
Das Dorf ist in drei „Stadtteile“ unterteilt: Ober, Unter und Mittel-Babino. Es gibt eine Bushaltestelle im Dorf.
Die umliegenden Dörfer sind: Malo Ilino und Bazernik im Südwesten und Westen, Dolenci und Zhelezhnets im Norden und Nordosten, Zhvan im Südosten und Sloeshtica im Süden.
Geschichte von Babino
Gemessen an der archäologischen Stätte von Vrteska ist das Dorf mindestens seit der Spätantike bewohnt.
Das Dorf wird in der osmanischen Volkszählung von 1467/68 mit 27 Familien und 2 unverheirateten oder insgesamt 137 Einwohnern erstmals urkundlich erwähnt. Die Bevölkerung bezahlte eine Steuer von 2005 Akçe (die erste von den Osmanen geprägte und über viele Jahrhunderte in Umlauf befindliche Silbermünze). Sie musste die Steuer auf Weizen, Gerste, Bienenstöcke, Schweine, Mühlen, Weinberge, Wassermelonen, Hochzeiten als Tımar entrichten (nur von Christen bezahlte Steuer). Das Tımar-System war die klassische Form der Abgabenerhebung im Osmanischen Reich.
Bei der Volkszählung von 1568 hatte das Dorf ganze 140 Einwohner. In den osmanischen Aufzeichnungen von 1611-1612 ist das Dorf als Babine mit 47 steuerlich verpflichteten Haushalten ausgewiesen.
1683 jedoch weigerten sich die Einwohner von Babino zusammen mit den Einwohnern von Kocishte, Zashe, Brezovo und Dolenci, die Nuzulsteuer zu zahlen. Es kam zu einem Tumult und man tötete den Steuer Eintreiber der Besatzer.
Im 19. Jahrhundert war Babino ein vollständig christliches Dorf in der Bitola Caza, nahia Demir Hisar des Osmanischen Reiches. Das bulgarische Exarchat war im Dorf aktiv und eine bulgarischsprachige Schule funktionierte im Dorf.
1882 kamen die ersten Bücher nach Babino
1882 wurden die ersten Bücher in Babino in das alte Haus des Urgroßvaters von Stevo Stepanovski gebracht. Er war ein türkischer Soldat, den die Türken mangels Geld aus der Staatskasse mit Büchern statt mit Altanen bezahlten. Er kaufte auch Bücher von seinen Kommilitonen und richtete einen Bibliotheksfonds ein.
Das Dorf war ein aktives Zentrum des Ilindenaufstands gegen den jahrhundertelangen osmanischen Besatzer. Am Abend des 1. August 1903 wurde auf den Babino-Wiesen des Ramni Livadi-Gebiets die vollständig rote mazedonische Flagge mit der Aufschrift „Freiheit oder Tod“ gehisst. Auf den Wiesen von Babino wurden ebenfalls die Freiheitskämpfer mit dem Leitsatz „Tod oder Freiheit“ vereidigt. Sie machten sich auf den Weg, um das Dorf Pribilci anzugreifen.
Die Bevölkerung wurde umgehend informiert, um in die Berge zu fliehen. An der Spitze der Aufständischen mazedonischen Freiheitskämpfern standen die Vojvoden Jordan Piperkata und Nikola Dechev. Sowie der Befehlshaber der örtlichen Truppen von Babino, er war Stepanovskis Urgroßvater.
Das Dorf war Teil der Republik Krushevo, die nur 13 Tage hielt. Die Niederschlagung des Aufstands erfolgte mit Hilfe eines türkischen „Asker“ (Armeeeinheit) aus Asien. In den letzten Tagen des Dorfes in Freiheit lagerte eine Gruppe von Abteilungen unter dem Dorf Babino am Ort Kula, wo sie auf türkische Truppen feuerten.
Die Türkische Truppen verfolgten die Freiheitskämpfer und drangen in die Dörfer und den Ilinska-Berg ein. Bei der Ilinska-Kirche trafen die Freiheitskämpfer auf die türkische Armee – beim Kampf wurden sieben Chetniks, alle aus dem Dorf Virovo, getötet.
Bei Ausbruch des Ersten Balkankrieges im Jahr 1912 wurden drei Einwohner von Babino Freiwillige des mazedonisch-odrinischen Freiwilligenkorps.
Es gab 162 Lehrer aus Babino, die nach dem Zweiten Weltkrieg Literatur in ganz Mazedonien verbreiten.
Legenden über Babino
Eine Legende besagt, als die Römer Makedonien eroberten und die Makedonier nach mehreren Jahrzehnten des Krieges besiegten, begannen sie, Männer zu töten, um das Land leichter zu besiedeln.
Sie begannen mit denen, die unter dem Kurati-Hügel lebten, wahrscheinlich galten sie als größte Bedrohung. Die Frauen und Kinder aus Babino flohen in die Berge, um die Erinnerung an ihr Dorf zu bewahren. Als sie zurückkehrten, um es wieder aufzubauen, waren sie jedoch schon alte Frauen geworden. Und so nannten sie ihr Dorf, das „Dorf der alten Frauen“ Babino (Baba=Oma/Großmutter).
Eine andere Legende, die von den Einheimischen für glaubwürdiger gehalten wird, besagt, dass eine alte Frau von ihren Schwiegertöchtern vertrieben wurde. Sie musste jahrelang allein in den Wäldern des Ilinska-Berges leben. Wütend auf ihre Schwiegertöchter und ihr Schicksal, verfluchte sie die gesamte weibliche Bevölkerung aus dieser Region ebenfalls ein einsames Leben zu führen, genau wie sie. Der Fluch erfüllte sich auch, und das Dorf erhielt daraufhin seinen Namen.
Tatsächlich scheint sich der Fluch in Zyklen zu wiederholen. Wie in den letzten Jahren waren die ständigen Einwohner von Babino mehrere alte Frauen im Alter von 70-90 Jahren. Ihre Ehemänner haben sie schon vor langer Zeit begraben. Ihre Kinder haben sie nach ganz Mazedonien und ins Ausland auswandern gesehen. Sie glauben an die Legende und über den Fluch, aber sie können nichts tun, sie wissen nicht, wie sie diesen Fluch brechen könnten.
Mehr über Babino in unserem Beitrag: Reiseführer Mazedonien: Malerisches Bergdorf Babino bei Demir Hisar
QUELLE: Makedonien.mk