Wenn man alte makedonische Wappen ansieht, erblickt man unweigerlich auf den allermeisten Exemplaren ein klares Hauptmotiv – ein Löwe. Aber nicht nur „moderne“ Wappendarstellungen, auch antike Münzen oder Mosaiken der Makedonen zeigen oft Abbildungen mit oder von Löwen.
Wir wollen hier in diesem Artikel nicht hinterfragen warum meist ein Löwe auf den Wappen Makedoniens abgebildet ist, oder wie es dazu kam. Sondern, ob ein makedonisches Wappen mit einem Löwen auch eine historische Grundlage hat.
Denn, heute würden viele dazu neigen zu sagen, dass ein Löwe niemals auf einem makedonischen Wappen ausgewählt werden könnte, höchstens von abgeleiteten Tugenden und Eigenschaften – wie Kampfkraft oder Ausdauer. Der Löwe ist ja schließlich hier nicht anzutreffen. Heimisch sei er ja in Afrika, könnte eine Phrase lauten.
Jedoch, war das nicht immer so. Denn,…
Löwen waren einst in Makedonien heimisch
…bis sie schlussendlich in diesen Breitengraden ausgerottet wurden, und heute eben nur noch an wenigen Plätzen der Welt leben. Die Löwenunterart die in der Region einst heimisch war, ist der Asiatische Löwe. Mit der offiziellen Bezeichnung Panthera leo persica.
Zu Alexanders Zeiten konnte er frei von Makedonien bis nach Indien ziehen. Allgemein wird angenommen, dank historischer Überlieferungen, dass der Asiatische Löwe in Makedonien und im übrigen Europa um 80–100 nach Christus ausgestorben war.
![Verbreitung von Löwen, Karte.](https://makedonien.mk/wp-content/uploads/2024/05/World_Lion_distribution-840x838.webp)
Das aber Löwen in der Antike in Makedonien heimisch waren, berichtet uns unter anderem der antike griechische Geschichtsschreiber Pausanias, und damit kommen wir zu unserer ersten Quelle.
Pausanias verfasste einst eine Beschreibung Griechenlands, aus der wir schon mal zitiert haben (Link zum Artikel: Niederlage gegen die Makedonen-Desaster für alle Griechen). So berichtet er in seiner Beschreibung:
…Der gebirgige Teil von Thrakien, auf dieser Seite des Flusses Nestos, der durch das Land Abdera fließt, züchtet neben anderen wilden Tieren Löwen, die einst die Armee von Xerxes angriffen und die Kamele, die seine Vorräte trugen, zerfleischten.
Diese Löwen durchstreifen oft das Land rund um den Olymp, dessen eine Seite Makedonien und die andere Thessalien und dem Fluss Peneios zugewandt ist. Hier auf dem Olymp tötete Poulydamas einen Löwen, ein riesiges und mächtiges Tier, ohne die Hilfe irgendeiner Waffe. Zu dieser Tat trieb ihn der Ehrgeiz, es mit den Leistungen von Hēraklēs aufzunehmen, denn Hēraklēs soll auch den Löwen bei Nemeā gestürzt haben.
Pausanias, Beschreibung Griechenlands, Buch 6, 5.4-5
Er war aber nicht der Einzige der uns Zeugnisse hinterließ in Bezug auf die Löwen. Ebenso Herodot und Aristoteles berichten uns von der Präsenz der Löwen in Makedonien und der Region.
![Abbild Alexanders des Großen vom s.g. Alexandersarkophag mit Löwenhelm.](https://makedonien.mk/wp-content/uploads/2024/04/Alexander-der-grosse-loewe-helm-loewenhelm.webp)
So berichtete Herodot (so wie Pausanias), wie die persische Invasionsarmee von Xerxes im Jahr 480 v. Chr. von Löwen angegriffen wurde, als sie an den östlichen Rändern Griechenlands und Makedoniens ein Lager aufschlugen. Dies geschah in der Nacht. Die Löwen sollen ihren Angriff ausschließlich auf die Packkamele des Xerxes fixiert haben.
In diesen Gegenden gibt es viele Löwen und Wildochsen, deren Hörner die sehr langen sind, die nach Hellas gebracht werden. Die Grenze des Löwenlandes ist der Fluss Nestos, der durch Abdera fließt, und der Fluss Acheloos, der durch Akarnanien fließt. Weder östlich des Nestos im näheren Teil Europas noch westlich des Acheloos im übrigen Festland ist ein Löwe zu sehen, wohl aber in dem Land zwischen diesen Flüssen.
Herodot, Histories, Buch VII., 124-126
Wie Ihr lesen konntet, berichtet uns Herodot etwas detaillierter als Pausanias über den Lebensraum der Löwen in Europa bzw. Makedonien.
Alexander der Große ein Löwe?
Selbst wenn wir über Tiere in der makedonischen Geschichte schreiben, geht das natürlich nicht ohne den größten Makedonen zu erwähnen. Auch er wurde als Löwe gesehen oder als solcher abgebildet. Nicht selten wurde Alexander sogar mit einem Löwen assoziiert. Vielleicht hat er es sogar selbst so gesehen?
Der antike Geschichtsschreiber Plutarch hat in einem seiner Werke etwas interessantes diesbezüglich hinterlassen. Vielleicht auch deshalb, wird Alexander noch etliche Jahre nach seinem Tod mit einem Löwen verglichen :
Die anderen Seher wurden nun durch die Vision zu der Vermutung geführt, dass Philip seine Ehebeziehungen genauer überwachen musste; aber Aristander von Telmessus sagte, die Frau sei schwanger, da kein Siegel auf das Leere gesetzt sei, und sie sei schwanger von einem Sohn, dessen Natur kühn und löwenähnlich sein würde
Plutarch, Alexander 2.3
Der Seher Aristander sah also in Alexander einen kühnen Löwen. Da hatte er wohl nicht unrecht, wenn man sich die Geschichte Alexanders noch mal vor Augen hält…
Und vermutlich hat sich Alexander auch selbst als Löwe gesehen, oder wollte so sein wie der König der Tiere. Nicht wenige seiner Münzen die er prägen lies, zeigen ihn mit einem Löwenhelm, oder Skalp.
![Münze von Alexander III. von Makedonien.](https://makedonien.mk/wp-content/uploads/2024/04/Alexander-der-grosse-muenze.webp)
Die Münzen Alexanders III. von Makedonien werden heute wegen ihrer künstlerischen Schönheit sowie historischen Bedeutung eifrig gesammelt. Diese Münze auf dem Bild, die vermutlich Ende der 330er Jahre v. Chr. zum ersten Mal geprägt wurde, zeigt auf der Vorderseite Alexander mit Löwenskalp und auf der Rückseite die sitzende Figur des Zeus.
Aber nicht nur Alexander bildete Löwen auf Münzen ab die er selbst beauftragte, so prägte schon sein Großvater Amyntas III. Löwen auf Münzen ab. Der spätere makedonische König Lysimachos, verwendete den Löwen als Propagandamaterial. So fabrizierte er eine Geschichte, dass er einen Löwen eigenhändig getötet hätte. In einer rauen Welt wie der makedonischen, sicherlich kein schlechter Werbeslogan. Schließlich galt man bei den Makedonen erst als Mann, wenn man ein Wildschwein ohne Netze oder Fallen getötet hat. Und die Jagd ist auch das Stichwort für unseren nächsten Absatz.
Löwenjagd auf Mosaik und dem Alexandersarkophag
Wie wir gesehen haben gehört der Löwe unweigerlich als Symbol zu Makedonien, sowie zu dessen Herrscher. Seit wann genau, darüber streiten Historiker – weil auch schon Könige vor Alexander den Löwen als Symbol nutzten.
Wie dem auch sei, in der alten makedonischen Hauptstadt Pella hat man ein prächtiges Mosaik entdeckt, dass unter anderem eine Löwenjagd zeigt. Es zeigt zwei nackte Makedonen wie sie einen Löwen jagen. Sie unterscheiden sich nur durch die markante Kausia (makedonische Mütze).
Viel haben Historiker gerätselt, aber der Mann mit der Mütze soll Alexander der Große sein. Der andere sein Feldherr Krateros. Interpretiert wurde das Mosaik, dass Krateros dem König in einer bedrohlichen Situation zu Hilfe eilte. Eine wahre Begebenheit?
Krateros hatte von dieser Situation nämlich eine bronzene Statuengruppe in Auftrag gegeben, als Weihegeschenk für das Heiligtum in Delphi. Die Statuen sind leider nicht mehr erhalten, doch das Mosaik soll eine bildliche Darstellung davon sein. Historiker gehen davon aus, dass die Jagd vermutlich tatsächlich in den Wildparks der persischen Großkönige in Sidon stattgefunden habe, das Alexander 333 v.Chr. erobert hatte.
![Szene vom Alexandersarkophag.](https://makedonien.mk/wp-content/uploads/2024/04/alexandersarkophag-szene.webp)
Eine weitere Jagdszene ist auf dem so genannten Alexandersarkophag zu sehen. Die Bezeichnung bekam das imposante Stück, wegen eines Reiters der einen Helm in Form eines Löwenkopfes trägt. Das kann nur Alexander der Große mit einem Löwenhelm sein, meinen Gelehrte.
An allen vier Seiten und in den Giebelfeldern ist der Sarkophag mit herrlichen Reliefbildern geschmückt. Sie zeigen auf einer Längsseite eine Schlacht zwischen Makedonen und Persern. Auf der gegenüberliegenden Längsseite ist eine von Makedonen und mit den besiegten Persern gemeinsam durchgeführte Löwen- und Hirschjagd prächtig dargestellt.
Auch spätere Abbildungen oder Zeichnungen zeigen Alexander bei der Löwenjagd. So hat Charles de La Fosse um 1680 ein schönes Motiv einer Löwenjagd als Gemälde verfasst. Gemalt als Teil der Ausstattung der Grands Appartements von Ludwig XIV.
Der Löwe auf den Wappen Makedoniens
Das bekannteste Motiv mit einem Löwen, sind aber ohne Zweifel die verschiedensten Wappen Makedoniens, die man in etlichen Wappenbüchern bewundern kann.
Das wohl bekannteste dieser Wappen dürfte der goldene Löwe auf rotem Grunde im sogenannten „Fojnički grbovnik“ (Wappenbuch von Fojnica) sein. Im Wappenbuch von Fojnica ist das Wappen Makedoniens auf roten Grund dargestellt, mit einem goldenen gekrönten Löwen, auf einem s.g. deutschen Schild, der oben mit einer fünfzackigen Krone mit Edelsteinen bestückt dargestellt ist.
![Wappen Makedoniens aus dem Fojnica Wappenbuch.](https://makedonien.mk/wp-content/uploads/2024/04/wappen-makedonien-loewe-schild-krone-1340-macedonia-coat_of_arms-lion.webp)
Der goldene Löwe als irdisches Symbol Makedoniens findet sich aber auch im älteren Londoner Wappenbuch von 1595. Das Wappen Makedoniens mit dem Löwen findet sich auch im Wappenbuch von Korjenić-Neorić aus dem 16. Jahrhundert. Hier ist ebenfalls ein gelber Löwe auf einem rot gefärbten deutschen Schild abgebildet.
Im Althan’schen Wappenbuch aus dem frühen 17. Jahrhundert ist der Löwe doppelschwänzig auf einem roten Feld dargestellt.
Auch in einem Wappenbuch, von welchem angenommen wird das es 1623 entstanden ist, findet sich der Löwe als irdisches Symbol Makedoniens wieder. Hier ist ein golden gekrönter Löwe ebenfalls mit einem Doppelschwanz auf einem roten Feld dargestellt. Unter dem Schild befindet sich ein Band mit der Aufschrift Makedonien.
Der makedonische Löwe ist auch im Olovski Wappenbuch von 1689 zu finden, aber dieses Wappen ist nur mit Tinte und ohne Schraffur dargestellt worden, wodurch es nur zweifarbig ist.
Im Berliner Wappenbuch (17. Jahrhundert) ist das mazedonische Wappen auf einem deutschen Schild dargestellt, wieder ein goldener Löwe auf einem roten Feld.
In der Stematographie von Hristofor Žefarović von 1741 ist das Wappen Makedoniens auf einem spanischen Schild dargestellt, jedoch ein roter Löwe auf einem goldenen Feld.
Wappen die man Alexander den Großen zusprach, aber sicherlich Phantasiekreationen sind, sehen den makedonischen Wappen oft zum verwechseln ähnlich aus. So das Wappen (roter Löwe auf goldenen Grund) in Hierosme de Baras Le Blason des Armoiries von Chez Rolet Bouton, veröffentlicht in Paris, 1628.
Einen Löwen auf Alexanders Wappen sehen wir auch in der Visualisierung der „Neun Helden“. Als Neun Helden bezeichnet man einen literarischen und kunstgeschichtlichen Topos, der erstmals zu Beginn des 14. Jahrhunderts innerhalb des französischen Versepos „Les Vœux du Paon“ (1312) des lothringischen Dichters Jacques de Longuyon aus dem höfisch-ritterlichen Milieu als eine Liste der idealen Ritter aufgestellt wurde.
![Wappen Makedoniens.](https://makedonien.mk/wp-content/uploads/2024/04/makedonien-wappen.webp)
Dort sehen wir ein Wappen, mit einem goldenen Löwen, auf einem Thron sitzend mit einer Axt in den Händen haltend. Interessanterweise bekam im gleichen Werk der Held von Troja, Hektor, fast das exakt gleiche Wappen, ohne Thron und farbenverkehrt: Roter Löwe auf goldenem Grund.
Die älteste Darstellung des Wappens Alexanders des Großen findet sich in einer Reihe von Statuen der Neun Helden im Kölner Rathaus (13. Jahrhundert). Dort trägt Alexander auf seinem Schild jedoch keinen Löwen, sondern einen Griffon.
Diesen Griffon sehen wir auch in den Wappenbücher von Herzog Albrecht VI von Österreich. Aber, das ist vielleicht sogar ein eigenes Thema wert…